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Freitag, 31. Oktober 2014

Leitfaden: Draussen im Winter

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Hallo, ich möchte hier, in kurzer Form, einen kleinen Leitfaden veröffentlichen, für diejenigen die mit dem gedanken spielen im Winter raus zu gehen!  Er wurde in Zusammenarbeit mit Alpinisten / Gebirgsjägern und Medizinern erstellt, erhebt aber in keinster Weise den Anspruch auf Perfektion oder Vollständigkeit. Es wurde ausschließlich vom Regel/Idealfall ausgegangen!

Generelles über Kälte
Im Winter ist der wichtigste Faktor, den Status Quo der Körpertemperatur von 36,0 bis 37,4 °C zu erhalten. Sinkt die Körpertemperatur unter 35°C reagiert der Körper und produziert Wärme durch automatisiertes Muskelzittern. Dies ist der Beginn der sog. Hypothermie. Dabei ziehen sich Blutgefäße in den Gliedmassen zusammen um die Durchblutung der äußeren Körperregionen zu reduzieren. Sinkt die Temperatur weiter, trübt sich das Bewusstsein ein. Diese Eintrübung kann bis zur sog. Kälteidiotie führen. In dieser Phase tritt bereits eine deutliche Abschwächung der Reflexe ein, das Zittern hört auf. Dies wird in Verbindung mit der Eintrübung oft fälschlicherweise als ein Zeichen der Erwärmung gesehen, in Wahrheit stellt der Körper das Zittern aber wegen Auswegslosigkeit ein. Wenn die Temperatur auf weniger als 28 °C absinkt, kommt es zu Ohnmacht, unter 28 °C fällt der Körper in einen Scheintod-ähnlichen Zustand. Ist man alleine, ist dies im Regelfall das Ende.

Erkennen von Unterkühlung: Neben dem augenfälligen Zittern ist die Störung der Motorik ein klares Zeichen für Unterkühlung. Ist man nicht mehr in der Lage feinmotirische Fingerübungen zu machen (wie z.b. den "Mr Spock Gruss", oder die Hand flach strecken und kl. Finger und Daumen zusammenführen ohne die anderen 3 Finger zu krümmen), sollte man Maßnahmen ergreifen.
Der Körper kühlt auf vielfache Weise aus. Eine Bauernweisheit, die man auf den Mist werfen kann, ist, dass der Mensch 70% der Hitze über den Kopf verliert. Jederman(n) kann sich selbst ausrechnen, was die am stärksten durchblutete Extremität des Körpers ist.

Wind ist ein weiterer entscheidender Faktor. Jeder kennt die Angabe "Gefühlte Temperatur" beim Wetterbericht. Diese gibt nicht nur an, wie unbehaglich man sich fühlt, sondern auch wie der Körper die Temperatur wahrnimmt. Wind sorgt extrem für Auskühlung, da er u.a. keine Bildung eines Kleinklimas zulässt. Die erfrischende Brise im Sommer kann im Winter den Unterschied zwischen kalter Nacht und Kältetod ausmachen. Ein windgeschützter Unterschlupf ist die halbe Miete für eine ruhige Nacht. Feuchtigkeit ist ebenfalls ein Killer im Winter. Feuchte Kleidung, im Schneematsch stehen/arbeiten oder Schneeregen mit 15km/h kühlen die ihr exponierten Körperteile bis zu 20x schneller aus, als trockener Wind. Was für eine Belastung durchfeuchtete, verschwitzte Kleidung, die am ganzen Körper anliegt, hat, sollte sich jeder ausmalen können. Kontakt mit kalten Oberflächen ist ebenfalls ein Faktor. Ein jeder von uns hat mal als Kind den Satz "Bub, setzt dich nicht auf die kalte Steinplatte, da wirste krank!" gehört. Tatsächlich ist es so, dass vor allem Schnee (und wir reden ja vom Winter) und nasses, gepresstes Laub dem Körper bis zu 15x mehr Energie entziehen wie Holz oder trockener Stein.

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Kleidung
Die Kleidung ist der essentielle Faktor im Winter, da sie das Fell ersetzt das wir vor Jahrtausenden verloren haben. Kleidung erfüllt 3 Aufgaben: Sie transportiert Feuchtigkeit weg vom Körper, sie isoliert die Körperwärme und sie schütz vor Wind und Nässe. In der Regel erfüllen diese Aufgaben 3 Lagen:

  1. Unterwäsche, aus Wolle oder Synthetikfaser (Baumwolle ist im Winter nicht anzuraten, trocknet zu langsam), die den Schweiss abtransportiert
  2. Eine Isolierende Schicht aus Wolle, Synthetifasern oder Daune, die die Wärme zurückhält
  3. Eine schützende Schicht, aus winddichter, imprägnierter Baumwolle, Laminatgewebe oder anderer Kunstfaser

Die Kleidung sollte bequem geschnitten sein, leicht zu belüften und bedarfsorientiert tragbar sein. Es ist immens wichtig, dass die Kleidung schnell trocknet. Vor allem Unterwäsche wird IMMER klamm werden, sie darf es aber auf keinen Fall bleiben. Baumwolle ist hier, tatsächlich, die schlechteste Option. Auch das im Sport gehypte Coolmax ist zwar sehr gut, aber nicht der Weisheit letzter Schluss. Moderne Kunstfasergewebe mit extrem geringer Oberfläche (und somit geringem Speichervolumen für Wasser) wie Seide, Polartec oder Lycraverbindungen sind der Baumwolle bei weitem vozuziehen. Aber auch Wäsche aus Merinowolle erfüllt ihren Zweck erstklassig.
Als Mittelschicht ist eine Lage aus leichter, voluminöser Kunstfaser (oder Daune, dies ist eine Glaubenssache) ideal. Primaloft ist zur Zeit der Platzhirsch der leichten Isolierungen, aber auch GLoft und das mittlerweile in die Jahre gekommene HollowFill erfüllen ihren Zweck. Steppfutter, wie die altbekannte Kälteschutzjacke der BW, wärmen zwar auch, speichern aber auch Wasser wie ein Wischmopp. Ähnliches gilt auch für das Teddyfutter des BW Parkas. Eine Fleecejacke, zum Wechseln bei schwereren Arbeiten sowie ein Windshirt runden die Kombo ab. Softshells eignen sich nur bedingt als MidLayer, das sie die Abgabe der Feuchtigkeit behindern. Als letzte Schicht kommt die Aussenhülle, sie sollte stabil, winddicht, wasserdicht/wasserabweisend und weit geschnitten sein. In trocken-kalten Gebieten hat sich auch Baumwollkleidung in Köperbindung, gewachst oder imprägniert, bewährt. Kunstfaser wie GoreTex ist ideal für nass-kalte Szenarien. Eine Wollmütze und Handschuhe runden das Set ab.

Essen und Trinken
Im Sommer muss man mehr drinken! Wer hätte es gedacht! Ergo, nach Adam Riese muss man im Winter mehr Essen, richtig?
Ja UND Nein! Sowohl Winter als auch Sommer sind Klimazonen/Jahreszeiten, die erhöhte Flüssigkeitsaufnahme bedeuten. Durch den Kältereiz wird der Harndrang angeregt, man verliert mehr Wasser als sonst. Man kann getrost davon ausgehen, dass man im Winter annähernd soviel Flüssigkeit zu sich nehmen sollte wie im Hochsommer. Wichtig ist hier, dass die Flüssigkeiten erwärmt sind, um nicht unnötig Heizleistung (die durch Nahrungsaufnahme kompensiert werden muss) zu verschwenden. Dadurch dass der Körper mehr Energie zum heizen braucht, benötigt er auch mehr Wasser zur Verdauung. Daher gilt auch hier: Nie Essen ohne Trinken! Dass Nahrung, die kalt zu sich genommen wird, den Körper weitere Heizleistung abnötigt, sollte klar sein! Nahrung sollte darauf abgestimmt sein, den Körper ausgewogen mit “Brennstoff” zu versorgen, denn im Winter arbeitet in uns ein kleines Heizkraftwerk, das unseren Körper auf Kerntemperatur hält. Müsliriegel mit wenig Zucker, Vollkornbrot, Reis, Vollkornnudeln, Nüsse und natürlich Fleisch liefern hier die nötige Leistung. Ein Snack vor dem Schlafengehen (ein Müsliriegel und ein paar Nüsse) helfen auch, Nachts wärmer zu schlafen!

Unterschlupf / Lager
Der Lagerplatz sollte windsicher, trocken und in ausreichender Nähe von Feuerholz sein. Es ist zu beachten, dass bei einem Feuer Schnee von den Bäumen fallen/tropfen kann und dem dann bei der Planung des Lagers Folge zu leisten ist. Wenn es die Umgebung zulässt, sollte das Lager nicht von Schnee geräumt werden, stattdessen der Schnee verdichtet / fest gestampft werden und im Idealfall ein Zwischenboden aus Reisig / Streu oder ein Knüppelboden eingezogen werden, um Auskühlung durch permanenten Kontakt mit dem Schnee zu vermeiden. Um die Feuerstelle, wo der Schnee auf jeden Fall schmelzen wird, sollte auf jeden Fall Reisig gelegt werden, sodass man nicht permanent im aufgeweichten Boden/Pfützen steht.

Schlafen
Ein Fleeceinlett zum Schlafsack minimiert den Chlling Effekt beim Einstig und erleichtert das auslüften / trockenlegen (z.b. bei Schwitzen durch Fieber). Eine gute Isomatte und ein windgeschützter Schlafplatz sind die halbe Miete. Ein herzhaftes, energiereiches Betthupferl (Müsliriegel, am Körper vorgewärmt) und Verzicht auf Kaffee bringen sowohl das innere Heizkraftwerk auf Touren, als auch den Harndrang zum pausieren. Muss man Nachts doch "mal raus", haben sich viele Leute angewöhnt, eine dedizierte Weithalsflasche als "Pinkelpott" in den Schlafsack zu nehmen, sodass sie ihr Geschäft innen erledigen können. Eine warme Kopfbedeckung / Balaclava ist ebenso sinnvoll, da es nicht gut ist in den Schlafsack zu atmen, da die Kondensfeuchte den Isolierwert (vom Komfort nicht zu reden) stark herabsetzt.

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© 2014 Huginfell.de

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